Tuesday, September 20, 2011

Coco Chanel - Ein Leben als Nazi-Agentin

Gabrielle Bonheur 'Coco' Chanel, 1910. Lange wurde über die braune Vergangenheit der Mode-Ikone geschwiegen. Als Coco Chanel am 13. Januar 1971 zu Grabe getragen wird, erweist auch Claude Pompidou, Frau des französischen Präsidenten ihr die letzte Ehre - dabei weiß man in Regierungskreisen längst, dass die berühmte Modeschöpferin eine braune Vergangenheit hat. Aber darüber schweigt man eisern - aus gutem Grund, wie der Biograf Hal Vaughan sagt: "Chanel war und ist die Ikone französischer Mode und Kultur. Ein Wirtschaftsfaktor, der von allen geschätzt wird."

Doch damit könnte jetzt Schluss sein. Hal Vaughan hat vier Jahre weltweit in Archiven recherchiert und unbekannte Dokumente entdeckt, die beweisen: Coco Chanel war keine naive Mitläuferin der Nazis, sondern opportunistische Landesverräterin.

"Es gibt das Geheimdienstdokument von der Polizeipräfektur Paris: "Chasnel", so lautet ihr Geburtsname, Gabrielle - und ihr Deckname ist: Westminster, so hieß ihr Ex-Liebhaber. Geführt als Agentin F 7124." (Hal Vaughan, Biograf)

Wie wurde Coco zur braunen Agentin?

Schriftsteller Hal Vaughan hat jahrelang recheriert und unbekannte Dokumente über Coco Chanel entdeckt. "Der schwarze Engel" erzählt diese Vorgeschichte akribisch genau: Seit den 20er-Jahren ist Chanel eine erfolgreiche Modemacherin - und hat einflussreiche Liebhaber, zum Beispiel den Herzog von Westminster. An seiner Seite steigt Chanel auch in die britische High-Society auf, bezaubert die Royals und Winston Churchill, mit dem sie auf Jagd geht. "Ihr Ego-Kapitalismus war fantastisch. Nichts konnte sie aufhalten", erzählt Vaughan.

1940 besetzen die Nazis Paris. Chanel, ganz pragmatische Opportunistin, geht mit fliegenden Fahnen zum Feind über und mit ihm ins Bett. Ihr neuer und 17 Jahre jüngerer Liebhaber ist Hans Günther von Dincklage, ein hoher Abwehr-Offizier der Wehrmacht, also: ein Spion. Die beiden kollaborieren nicht nur privat im feinen Hotel Ritz. Von Dincklage braucht Chanels Kontakte in Paris. Sie will ihren Neffen aus deutscher Kriegsgefangenschaft holen. Der Deal: Freiheit gegen Kontakte.

Chanels Neffe kommt frei. Doch Coco will mehr. Sie hat zwar schon 1924 ihrem jüdischen Geschäftspartner Wertheimer die Anteile am legendären Chanel Nummer 5 verkauft. Aber jetzt will sie ihn mit Hilfe der Arisierungsgesetze enteignen lassen. Hätten die Nazis den Krieg gewonnen, wäre Chanel so zur Parfum-Monopolistin in ganz Europa geworden. Doch sie scheitert. Aber in ihrer Verachtung für Juden und Bolschewiken lässt sie sich weiter mit den Deutschen ein.

Sie nimmt Teil an der sogenannten "Operation Modellhut". Geheimdokumente belegen: Anfang 1944, die Rote Armee ist auf dem Vormarsch, fliegt Chanel nach Berlin - und trifft dort die rechte Hand Heinrich Himmlers, Geheimdienstchef SS-Oberführer Walter Schellenberg.

"Schellenberg hatte folgenden Plan: Chanel sollte Kontakt zu ihrem lieben alten Freund Churchill aufnehmen und ihm einen Brief zukommen lassen", berichtet Vaughan. "Himmler - oder einer seiner Mittelsmänner - wollten einen Separatfrieden mit England aushandeln, um die Kampfhandlungen zu beenden. Dann hätte Himmler Hitler loswerden können, und die Wehrmacht hätte sich ganz auf die Russen konzentrieren können."

Winston Churchill hielt seine schützende Hand über Coco Chanel. Die "Operation Modellhut" endet als Posse. Chanel dringt gar nicht zu Churchill vor, denn der liegt fieberkrank im Bett. Kurz darauf befreien die Alliierten Paris. Chanel wird als Kollaborateurin verhört, kommt aber schon nach drei Stunden wieder frei. Wer hat sie da wohl geschützt? "Churchill", sagt Vaughan. "Sie hat ihm über ihren alten Freund Westminster eine Nachricht zukommen lassen, denn der stand Churchill sehr nahe. Sie musste nur Westminster kontaktieren und sagen: Ich bin festgenommen, Hilfe."

Coco Chanel flieht in die Schweiz und bleibt auch im Exil skrupellose Geschäftsfrau: Ihr Comeback als Designerin finanziert ausgerechnet Pierre Wertheimer - der, den sie mit Hilfe der Nazis enteignen wollte. Der wusste - trotz allem - was er an ihr hatte, wie so viele, die von der Marke Chanel seit jeher profitiert haben. Weswegen auch niemand den Mythos ankratzen wollte.

Source: http://www.ndr.de